Worte aus der Stille
Haiku / Senryu

von Otto Abt und Gabi Bosch

erschienen 2005 beim durchblick-siegen Information und Medien e.V.
Marienborner Str. 151, 57074 Siegen

ISBN 3-9810413-0-5

inside, September 2005

Otto Abt und das Lied der Flöte

Eine Streitschrift fürs Positive

Schreibaufgabe: 17 Silben, 3 Zeilen, 5-7-5. Wer glaubt, kurze Gedichte seien auch schnell geschrieben, irrt! Beinah ein Jahr hat der vom Niederrhein stammende Wahlsiegener Otto Abt gebraucht, bis er die etwa 70 Haiku zusammen hatte. Herausgekommen ist eine Art immerwährender Kalender, ein Stundenbuch, verziert mit prächtigen Geweben, Halterungen für die zarten Wortgespinste. Das Haiku ist eine alte japanische Gedichtart, ehemals gesungener Prolog zur Oper, auch Bildkunst, formschön hingepinselt, im Lauf der Jahrhunderte selbständig geworden. Immer geht es darin um eine Mensch-Natur-Betrachtung, beim Zwillingsbruder, dem Senryu, führt die Reflektion vom Ich ins Allgemeine.

Nun ist es nicht einfach, eine Kunst, die so sehr an die asiatische Kalligraphie gebunden ist, ins Europäische zu übertragen, zum Beispiel mit Zeilensprüngen. Otto Abt hat eine Hand dafür. Hat immer schon diese Art der "Kleinkunst" gemocht, hat ein asketisches Werk verfasst, für das man sich Zeit nehmen muss, auch wenn mans in einer Viertelstunde runterlesen könnte. Aber dann hätte man nichts verstanden. Die Kurzgedichte, die allesamt das Leben und Erleben des Dichters wie den Jahreskreis beschreiben, muss man zwischen Aug und Zunge zergehen lassen wie ein Haute Cuisine Gericht. Wie einen guten Wein: "Das Rot der Rose/ glüht dunkel wie schwerer Wein,/ durchtränkt von Liebe." Alles ist im Fluss, es gibt keinen Index, keine Kapitel, die die "Worte der Stille" unterteilen, die Jahreszeiten gehen ineinander über, auf Dunkelheit folgt Wachstum, jugendliche Lebenslust: "Finsternis krallt sich/ an mich, will mich verschlingen./ Mein Schrei stürzt in die Nacht.// Der Bambus biegt sich/ im Sturm und erhebt sich stolz/ im Licht der Sonne." Und einem so engagierten Autor und Musiker wie Otto Abt, der sich mit Spenden und Aktionen für Tsunami-Opfer engagiert, der Indonesiens mythische Geschichten einem deutschen Ohr verständlich zu machen versteht, der einen nach einem Arbeitstag mit Tai Chi und Gamelan-Glocken in höhere, leichtere Sphären zu versetzen vermag - einem Mann, den 74 Lebensjahre nur äußerlich verwittern konnten, steht eine solch jugendliche Kraft gut zu Gesicht: "Herzschlag der Nacht; ich/ ahne das All unter der/ Decke aus Sternen." Das ist ein Liebesgedicht! Eine Umarmung, die Abt nicht scheut. Gabi Bosch, Graphikerin, Freundin und Kupferstecherin ließ sich gern umarmen und umgarnt zurück mit bunten Pinselstrichen, hellen Aquarellformen und Tropfmarkierungen, die sie sich extra fürs Buch der stillen Worte einfallen ließ. Jedes Gedicht liegt in einem Nest aus getupften Wolken, grün, blau, lila. Vieles erinnert dabei an japanische Bau- und Schreibweisen, ist schlicht und einfach und schön anzusehen. Bild und Text unterstützen sich gegenseitig, ohne einander Inspiration zu rauben.

"Beim Flug durch die Nacht/ entdeck ich tief unter mir/ ein einsames Licht." Bei allem Poetischen: Es handelt sich hier um ein sehr bodenständiges Buch, um nichts Verschwiemeltes und Aufgeschwulstes, wie man es oft bei Schreibern findet, die sich an Haiku heranwagen. Eine Streitschrift fürs Positive, ein Stundenbuch in Siegengrün.

von Crauss
www.crauss.de


zurück zur Übersicht Bücher