Von Liebe und Macht
Das Mahabharata

Neu erzählt von Otto Abt

14,90 EUR

erschienen 2001 im Horlemann Verlag

2., unveränderte Auflage (Bestseller)

ISBN 3-89502-124-5

„Was immer in dieser Welt vorkommt, das findet sich auch im Mahabharata; und was man darin nicht findet, das gibt es nirgendwo auf der Welt.“

So heißt es in einem der ersten Kapitel des bedeutendsten Epos der Hindus. Es ist Heldengedicht und Rechtslehrbuch zugleich. Die Mischung aus spannenden Geschichten und der Darlegung sittlicher Gebote macht das Werk so einzigartig und hebt es über Raum und Zeit hinaus. Nichts, was Menschen tun, sich gegenseitig antun und tun sollten, bleibt ausgespart. Liebe, Laster, Leidenschaft, Verrat, Mut, Treue, Zweifel – die endlose Liste des Menschlichen, allzu Menschlichen wird personifiziert, namentlich benannten Helden und Schurken zugeordnet und in einer auch dem Leser, Hörer, Zuschauer des 21. Jahrhunderts verständlichen Weise dramatisiert: Das ist der pralle, üppige, sattfarbene Stoff, aus dem die Romane, Novellen, Poeme, Volkslieder, Theaterstücke aller Zeiten geschneidert wurden. Doch das Mahabharata will nicht nur unterhalten und das Publikum in Bann ziehen, es ist vielmehr Modell einer streng hierarchisch von oben nach unten strukturierten Gesellschaft, in der jedem Menschen ein ganz bestimmter Platz mit ganz bestimmten Pflichten und Rechten zugestanden wird: im Diesseits und im Jenseits. Es ist ein Kodex, an dem sich Verhaltensweisen auszurichten haben im Dienste von Ethik, Recht und Moral.

In einer ganzen Reihe volkstümlicher Nacherzählungen der Kerngeschichten erreichte das Mahabharata bis heute Generationen deutscher Leser. Die vorliegende Sammlung ist in guter Tradition.

(Rüdiger Siebert)

Siegener Zeitung, 26.05.2001

Liebe, Macht und Gottesfurcht

Siegener Autor Otto Abt erzählt aus dem "Mahabharata"

Ein lichtes Wäldchen, das sanfte Rauschen eines Flusses, ein junger Mann sagt zu seinem Vater: "Deine Ruhe, deine Friedfertigkeit und deine Kraft holst du dir von diesem Ort. Hier begegnest du den Göttern." Der junge Mann, der das Geheimnis seines Vaters begreift, ist Sentanu, ein Protagonist des indischen Epos "Mahabharata". Und Geheimnisse, also entdeckenswerte Erkenntnisse, die weitergedacht und umgesetzt werden wollen, birgt das "Mahabharata" in seinen 90000 Doppelversen viele, verpackt in einen kunstvoll gewebten Teppich aus Geschichten: Indiens wirklich monumentaler Beitrag zur Philosophie, Ethik und Literatur der Welt.

Der Siegener Autor und Asienkenner Otto Abt hat sich schon seit langem in den Bann dieser gewaltigen Erzählung ziehen lassen. Und nun hat er seiner Begeisterung über das in ganz Asien intensiv rezipierte "Mahabharata" einen Buchtitel gegeben: "Von Liebe und Macht - Das Mahabharata neu erzählt" heißt der 182 Seiten starke Band, der kürzlich im Horlemann Verlag, Bad Honnef, erschienen ist. Am Wochenende wurde das Buch übrigens mit großem Erfolg im Frankfurter Völkerkundemuseum in Gegenwart des indonesischen Generalkonsuls Otto Sidharto Soeria Atmadja vorgestellt.

Abt erzählt einzelne Geschichten aus dem "Mahabharata" neu und gestrafft - und anders geht es auch nicht. Zu vielfältig sind die Erzählstränge, zu kompliziert die Verwandschafts- und Freundschaftsverhältnisse, die Feindschaften und die Eingriffe der Götter ins Menschenleben. Wissenschaftler haben ganze Nachschlagewerke erstellt, in denen die Personenvielfalt dieses breit dahinrollenden Epos aufgeknotet wird.

Otto Abt spricht mit seiner Stimme - Philologen vielleicht ein Dorn im Auge. Aber hier geht es um einen literarischen Anspruch: die Adaption ans Heute. Der Autor - bekannt als Lyriker und Leiter des Siegener Gamelan-Orchesters - erzählt die Geschichten neu. Sprachlich und inhaltlich gestrafft, kann ihnen nun auch der ungeduldige Mitteleuropäer folgen. Dennoch verlieren die einzelnen Kapitel der uralten Familien- und Kriegssaga, in der es um das rechte Verhalten der Menschen zwischen Liebe, Macht und Gottesfurcht geht, nichts von ihrem Reiz.

Was Abt erzählt, behält seinen Ernst, seine Intention. Trotzdem - und das macht das Lesen vergnüglich - schaut den Leser der Schalk des Erzählers aus allen Geschichten an. Die großen und kleinen Geheimnisse, die das "Mahabharata" preisgeben kann, werden nicht mit pädagogischer Verbissenheit offengelegt. Im Gegenteil, weil Abt die einzelnen Kapitel Themen zuordnet, erleichtert er den Zugang zum Wesentlichen. Und verblüfft stellt der Leser fest: Was da erzählt wird, das fühlt sich bekannt an. Das Vertrauen ins Leben lässt den Sinn entstehen, den doch jeder für sich selbst finden muss. Das ist die Wahrheit des "Mahabharata". Otto Abt ist es zu danken, dass er den Zugang zum Geflecht der Geheimnisse finden hilft. Ein Buch, in dem zu schmökern, über das nachzudenken sich lohnt. Und es ist ein Buch, das Interesse an und Verständnis für Asien weckt. Das aber ist heute bitter notwendig.


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